Kategorie: Artikel, Cranach-Städte, Kronach
Zwei neue Cranachs für Kronach
Interview mit Dr. Matthias Weniger, wissenschaftlicher Referent am Bayerischen Nationalmuseum und wissenschaftlicher Beirat der Wege zu Cranach
Dr. Matthias Weniger ist seit 2003 Referent für Skulptur und Malerei um 1500 im Bayerischen Nationalmuseum in München und betreut in diesem Rahmen auch die Fränkische Galerie, ein Zweigmuseum des Bayerischen Nationalmuseums. Er war die treibende Kraft hinter den Modernisierungsmaßnahmen der Galerie im Jahr 2014 und verfasste in diesem Zusammenhang auch den neuen Ausstellungskatalog der Fränkischen Galerie.
Kerstin Löw: Herr Dr. Weniger, die bayerische Staatsregierung hat bekannt gegeben, zwei Werke von Lucas Cranach dem Älteren, die bisher im Bayerischen Nationalmuseum bzw. in der Alten Pinakothek in München gezeigt wurden, als Dauerleihgabe in die Fränkische Galerie auf der Festung Rosenberg in Kronach zu geben. Um welche Gemälde handelt es sich? Und wie sind diese im Oeuvre Cranachs einzuordnen?
Salomé mit dem Haupt Johannes des Täufers, Foto Bayerisches Nationalmuseum, Walter Haberland
Dr. Matthias Weniger: Es handelt sich um eine Salomé mit dem Haupt Johannes des Täufers und eine Madonna mit der Weintraube. Die Salomé bildet mit der Version in Lissabon die früheste und sicher eine der bedeutendsten Fassungen dieses Themas, die sich aus der Cranach-Werkstatt erhalten haben. Sie war von 1983 bis 1993 schon einmal in der Fränkischen Galerie Kronach ausgestellt und ist entsprechend in den alten Führern des Museums berücksichtigt. Seitdem ist sie an sehr prominenter Stelle Teil der Dauerausstellung des Bayerischen Nationalmuseums in München und vertritt dort neben der für Margarete von Österreich geschaffenen Judith von Conrat Meit das in der Renaissance sehr beliebte Thema der „Weibermacht“. Die Salome wurde 1906 vom katholischen Pfarramt Bayreuth erworben, nachdem dieses sie zusammen mit anderem Kircheninventar verkaufen wollte. Die Madonna mit der Weintraube befindet sich sogar schon fast 200 Jahre in Staatsbesitz – Freiherr von Niedermayr schenkte sie 1824 König Max I. Joseph zum 25jährigen Regierungsjubiläum. Auch bei der Madonna mit der Weintraube handelt es sich um eine frühe Fassung eines Themas, das die Cranach-Werkstatt noch mehrfach behandelt hat – einschließlich des von Engeln gespannten dunklen Tuches, dass die Muttergottes sehr wirkungsvoll vom detailreich gestalteten Hintergrund absetzt. Die Trauben spielen auf die Passion Christi an, die bei seinen Kindheitsszenen immer schon mitbedacht ist. Thematisch bildet die Maria mit Kind eine besonders wichtige Ergänzung des Kronacher Bestands. Cranach hat sich diesem Sujet auch nach Einführung der Reformation immer wieder zugewandt, und zwar sowohl für katholische wie für evangelische Auftraggeber. Ein erst nach 1537 geschaffenes Marienbild Cranachs, die heute in Innsbruck aufbewahrte Maria-Hilf-Madonna, wurde sogar zum meistkopierten Werk des 16. Jahrhunderts, wenn nicht sogar der ganzen Kunstgeschichte überhaupt. Auch hieran wird die Traubenmadonna in Kronach künftig erinnern.
Maria mit dem Kind und Weintraube, © Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Alte Pinakothek, München
Kerstin Löw: Wie fügen sich die beiden beschriebenen Neuzugänge in den Cranach-Bestand ein, der schon jetzt in Kronach zu sehen ist?
Dr. Matthias Weniger: Die Gemälde bedeuten thematisch wie künstlerisch eine große Bereicherung für die Fränkische Galerie. Johannes der Täufer ist der Patron der Kronacher Stadtpfarrkirche. Er ist in der Fränkischen Galerie durch eine Steinfigur vom Portal der Kirche präsent, die früher Cranach selbst zugeschrieben wurde. Sein Martyrium wird nun künftig durch ein hervorragendes gemaltes Werk der Cranach-Werkstatt vertreten sein. Zugleich lässt sich Salome, die durch ihren Tanz ihren Stiefvater Herodes berückte, neben die Buhlerin der Cranach-Werkstatt, neben die Frau des Potiphar, die Joseph auf dem Gemälde eines Cranach-Schülers nachstellt, und neben die Töchter des Lot stellen, die ihren Vater verführen. Das letztgenannte Werk gehört zu jenen, die das Museum bei der Neukonzeption von 2014 wesentlich bereichert haben. Künstlerisch bietet es die in Kronach wohl engste Parallele zu der nun hinzutretenden Traubenmadonna. Unter anderem ist der Hintergrund formal durchaus vergleichbar von den Protagonisten abgesetzt. Für die Details der Landschaft hinter der Madonna laden die meisten der Bilder im Kronacher Cranach-Saal zu detaillierter Gegenüberstellung ein.
Kerstin Löw: Was sind nun die nächsten Schritte? Denn pünktlich zur Frühjahrseröffnung der Fränkischen Galerie am 01.03.2020 sollen beiden Gemälde ja vor Ort sein.
Dr. Matthias Weniger: Zentrale Herausforderung wird es sein, die beiden wichtigen Werke ihrer hohen Bedeutung gemäß zur Geltung zu bringen und dabei dennoch das harmonische Gesamtbild zu wahren, wie es die Fränkische Galerie seit ihrer Neueinrichtung von 2014 auszeichnet.
Kerstin Löw: Sie begleiten als zuständiger Referent im Bayerischen Nationalmuseum nun schon seit vielen Jahren die Geschehnisse in der Fränkischen Galerie. Welche Rolle können Zweigmuseen wie das Ihre im oberfränkischen Kronach im heutigen Kultur- und Städtetourismus spielen?
Dr. Matthias Weniger: Das Bayerische Nationalmuseum hat große und wichtige Teile seiner Sammlungen fränkischer Kunst nach Kronach gegeben – nicht nur Arbeiten aus Oberfranken, sondern nicht zuletzt auch aus den großen fränkischen Zentren Nürnberg, Würzburg und Bamberg. Die Fränkische Galerie gehört mit ihren Beständen zu den wichtigsten Zweigmuseen der Münchner Sammlungen überhaupt. In einer der bedeutendsten Festungsanlagen Deutschlands installiert, wird es hoffentlich künftig noch mehr Besucher in den strukturschwachen Nord Oberfrankens locken. Die beiden Neuzuwächse laden dazu nachdrücklich ein.