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Lucas Cranach und die Anfänge von Copyright und Urheberschutz
Bereits in frühen Ausgaben von Luthers Bibelübersetzungen taucht mit der von Lucas Cranach d.Ä. gestalteten Lutherrose ein visuelles Markenzeichen auf, das die Authentizität der Übersetzungen verbürgen sollte.
Ab dem 2. November 2015 zeigt die Landesbibliothek Coburg unter dem Titel Buch, Bild und Glaube. Luther, Cranach, Spalatin, eine Ausstellung die ganz dem buchkünstlerischen Schaffen von Lucas Cranach und seiner Werkstatt gewidmet ist. Die Leiterin der Landesbibliothek und Kuratorin der Ausstellung Dr. Silvia Pfister führt in einer Artikelserie des Cranach-Magazins in diesen bislang weitgehend vernachlässigten Aspekt des Cranach’schen Werkes ein.
Als Martin Luther 1522 Das Neue Testament deutsch publizierte, erschien der Band noch ohne Nennung von Personennamen. Nur der Druckort Wittenberg ist auf dem Titelblatt zu lesen. Zwei Jahre später weist dann Das Alte Testament deutsch schon auf "M. Luther" als Übersetzer hin.
Besonders eindrucksvoll wird am Ende des zweiten Teils des Alten Testaments auf den "geistigen Eigentümer" der Übersetzung hingewiesen:
Die Absicht des Reformators ist deutlich zu erkennen: Der von ihm autorisierte Text soll klar von den verfälschten Nachdrucken unterschieden werden, welche in großer Zahl den Markt überschwemmten. Als visuelle Beglaubigung der Authentizität setzte Luther eine "Marke" ein: die Lutherrose mit den Initialen M und L. Geschaffen wurde sie von Lukas Cranach d.Ä. (oder unter seiner Aufsicht in der Cranach-Werkstatt), der hinter dem Druck des Alten Testaments stand, aber weder als Verleger oder Drucker noch als Urheber des Markenzeichens in Erscheinung tritt.
Im selben Jahr 1524 erschienen in Cranachs Druckerwerkstatt mehrere Lutherschriften mit Lutherrose und mehrfach verwendetem grafischem Titelrahmen, ebenfalls von Cranach oder seinen Mitarbeitern. Ein Beispiel ist die Schrift Das Eltern die Kinder zur Ehe nicht zwingen noch hyndern und die kinder sich on der eltern willen sich nicht verloben sollen:
Bald danach stieg Lukas Cranach wieder aus dem Druckgewerbe aus. Sein Geschäftspartner Christian Döring geriet in finanzielle Schwierigkeiten und musste sein Unternehmen aufgeben.
Die erste Ausgabe der gesamten Lutherbibel wurde 1534 in Wittenberg von Hans Lufft gedruckt. Übersetzer und Drucker sind auf dem Titelblatt namentlich genannt.
Als Neuerung kommt das Druckprivileg Kurfürst Johann Friedrichs I. (des Großmütigen) von Sachsen hinzu. Von da an schützte der Landesherr selbst Luthers Bibel vor Nachdruck, und er beteiligte sich wohl auch an den Druckkosten. Die auf ihn verweisenden kleinen Wappenschilde mit den Kurschwertern (links oben) und dem sächsischen Rautenkranz (rechts oben) sind auf dem Titelblatt ebenso zu sehen wie der Leitspruch des ernestinischen Hauses Sachsen "Verbum Domini manet in Aeternum" (Gottes Wort bleibt in Ewigkeit). Der Titelrahmen stammt aus der Cranach-Werkstatt (Monogrammist MS?).
Als Johann-Friedrich-Bibel ging dann die wegen ihres Formats auch "Medianbibel" genannte zweite Ausgabe von 1540/41 in die Geschichte ein. Der Kampf gegen die geschäfts- und textschädigenden Nachdrucke führte zu weiteren Neuerungen. Der Kurfürst ließ dem Text sein ganzseitiges, mit allen Attributen seiner Macht ausgestattetes Porträt voranstellen. Das Bildnis stammt von Lukas Cranach; seine Marke mit der geflügelten Schlange ist links über dem Hermelinkragen zu sehen.
Nach dem wiederabgedruckten Text des Privilegs von 1534 ist – eine zweite Neuerung - eine "Warnung" Martin Luthers eingefügt. Es handelt sich um eine geharnischte Rede, in der Luther mit den Nach- und Raubdruckern hart ins Gericht geht, nicht nur weil sie mit seiner Arbeit "untreulich" umgehen, sondern auch seine Buchdrucker um ihren Gewinn bringen, "was eine rechte große öffentliche Räuberei ist".
Überblickt man die Druckgeschichte der Lutherbibel, so hat es eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass der Reformator mit "unsern Druckern", die durch Raubdrucke um ihre Gewinne gebracht wurden, auch Lukas Cranach gemeint hat. Schließlich hatte dieser während der Veröffentlichung des Alten Testaments als Buchunternehmer aufgeben müssen.