25.10.2013 14:05 Alter: 10 yrs
Kategorie: Artikel, Gotha

Die Buchgrafiken aus der Werkstatt der Cranachs in der Forschungsbibliothek Gotha

Lucas Cranach d.Ä. und sein Sohn spielten eine wesentliche Rolle bei der Ausbildung eines reformatorischen Bildprogramms, wie Dr. Sascha Salatowsky von der Forschungsbibliothek Gotha an Buchgrafiken zeigt.


Die Forschungsbibliothek Gotha besitzt einen reichen Schatz an Buchgrafiken aus der Werkstatt der beiden Cranachs, die einen bedeutenden Beitrag zur Ausbildung eines eigenen reformatorischen Bildprogramms geleistet haben. Nachfolgend sollen einige besonders schöne Buchgrafiken beschrieben werden.

Der Maler Lucas Cranach d.Ä. (1472-1553) wirkte seit 1510 in Wittenberg und erlebte so aus erster Hand die Anfänge der Reformation durch Martin Luther. Eng befreundet mit Philipp Melanchthon und Martin Bucer stellte er sich früh in den Dienst der Reformbewegung und unterstützte sie durch die bildnerische Gestaltung der neuen Medien, wie Buch- und Einblattdrucke sowie Flugschriften, mit denen die Reformatoren ihre neue Botschaft verbreiten wollten. Der Buchgrafik kamen dabei zwei Funktionen zu: Zum einen diente sie als Buchschmuck, häufig in Form von Titeleinfassungen oder Buchstabenverzierungen. Zum andern versinnbildlichte sie als Buchillustration die Kernaussagen der neuen Lehre.

Bekanntestes Beispiel für Buchschmuck sind das Christuslamm und die Lutherrose, die – vermutlich von Cranach selbst kreiert – seit 1524 auf Drucken des Reformators erscheinen. Sie dienten als „Schutz-„ bzw. „Echtheitsmarke“ Luthers, mit denen man den unerlaubten Nachdrucken der Lutherschriften Einhalt gebieten wollte.

Illustration zu Luther, Das Alte Testament

Das Alte Testament. Teil 2. Wittenberg 1524. FBG, Theol. 2° 33/1, Bl. CCXVIr

Darüber hinaus finden sich zahlreiche Titeleinfassungen aus Cranachs Werkstatt, mit denen die Werke Luthers, aber auch anderer Reformatoren dem damaligen Zeitgeschmack entsprechend illustriert wurden.

Strenger reformatorisch orientiert sind die Buchillustrationen von Cranach selbst bzw. aus seiner Werkstatt, mit denen sie insbesondere die zahlreichen Bibelausgaben Luthers bereicherten. Frühestes Beispiel hierfür ist das sogenannte „Septembertestament“ Martin Luthers von 1522, also der Übersetzung des Neuen Testaments in die deutsche Sprache, die Cranach bzw. seine Werkstatt mit insgesamt 21 Holzschnitten versah. Aus Cranachs eigener Hand stammt wohl der blattgroße Holzschnitt „Vermessung des Tempels, die beiden Zeugen und das Untier mit Papstkrone“ zur Johannes-Offenbarung.

Illustration zu Martin Luther, Das Neue Testament

Das Neue Testament. Wittenberg 1522. FBG, Theol. 2° 35/1, Bl. cc1v

Dieser direkte Affront gegen den Papst, den Luther als „Antichristen“ bezeichnete, markierte in aller Deutlichkeit den Bruch mit der katholischen Kirche. Der Skandal war so groß, dass im sogenannten „Dezembertestament“ von 1522 dieser Holschnitt in überarbeiteter Form erschien: Nunmehr wurde das Ungeheuer ohne Papstkrone dargestellt. Daneben hat Cranach die antipapistische Polemik immer wieder durch eigene Illustrationen der reformatorischen Flugschriften unterstützt. Bekannte Beispiele hierfür sind das „Passional Christi und Antichristi“ von 1520 sowie „Das Papsttum mit seinen Gliedern“ von 1526.

Besonders imposant sind jedoch jene Buchillustrationen, in denen die Verbildlichung der religiösen Gehalte selbst im Mittelpunkt des Interesses stand. Hiervon zeugt die Titeleinfassung in Folioformat von Luthers „Auslegung der Episteln und Evangelien vom Advent bis Ostern“ von 1526 aus der Hand Cranachs.

Illustration zu Martin Luther, Auslegung der Episteln und Evangelien

Martin Luther: Auslegung der Episteln und Evangelien vom Advent bis Ostern. Wittenberg 1526. FBG, Theol. 2° 335/2 (1)

Dargestellt ist die Bekehrung Pauli nach der Beschreibung in Apostelgeschichte 9,1-22. Cranach zeigte Saulus dabei in voller Kriegsrüstung, der gerade im Begriffe ist, gegen Jesus und seine Jünger in den Kampf zu ziehen. Getroffen vom Licht des Himmels, das die Heilige Trinität zur Erde sendet, wird er zu Boden gerissen. Als er nach drei Tagen sein Augenlicht wiedergewinnt, lässt er sich taufen. Paulus war für Luther neben Christus die zentrale Figur des Neuen Testaments. An seinen Briefen gewann er die Erkenntnis, dass die Rechtfertigung allein aus dem Glauben und nicht aus den Werken erfolge. Die Bekehrung Pauli kennzeichnet dergestalt das zentrale Motiv des neuen reformatorischen Glaubens, zu dem ja Luthers Auslegung der Briefe Pauli hinleiten sollte.

Wie sehr Cranach es verstand, die Kunst der Buchillustration mit der Kunst der Malerei zu verbinden, verdeutlicht ein berühmtes Beispiel. Ein Höhepunkt seines künstlerischen Schaffens bildet das für jeden Christen zentrale Motiv „Gesetz und Gnade“ bzw. „Verdammnis und Erlösung“, das Cranach wohl seit 1525 als Gemälde oder auch Holzschnitt immer wieder neu gestaltete. Die Gothaer Bildfassung von 1541, die sich heute im Bestand der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha befindet, veranschaulicht dabei sehr schön den von Martin Luther und Philipp Melanchthon betonten Gegensatz von Gesetz und Evangelium. Auf zwei durch einen zugleich verdorrten und blühenden Baum getrennten Bildseiten wird das Schicksal des Menschengeschlechts erzählt: Auf der linken Seite steht der alte Mensch Adam unter dem Gesetz des Alten Testaments, das durch den Sündenfall, die Errichtung der Ehernen Schlange, das Jüngste Gericht und die Verdammung zum ewigen Tod gekennzeichnet ist. Auf der rechten Seite steht der neue Mensch unter der Gnade des Neuen Bundes, der durch den Tod Christi am Kreuz erworben wurde. Ein Blutstrahl aus der Wunde Christi trifft dabei den Menschen, der auf diese Weise der Gnade teilhaftig wird. Das Motiv „Verdammnis und Erlösung“, das Cranach so meisterhaft gestaltete, gilt als eines der wenigen originären Neuschöpfungen im Bereich der bildenden Künste, die durch die Reformation hervorgerufen worden sind. Auch sein Sohn Lucas Cranach d.J. (1515-1586), der seit seiner Jugend in der Werkstatt des Vaters mitarbeitete, verwendete es als Holzschnitt. Es findet sich als Titeleinfassung in dem Abschnitt „Die Propheten alle Deudsch“ als Teil der berühmten deutschen Bibelausgabe, die 1541 in Wittenberg bei Hans Lufft gedruckt wurde.

Abb. 4. Biblia: das ist: Die gantze heilige Schrifft Deudsch. Wittenberg 1541. FBG, Theol. 2° 23/7

Cranach d.J. fertigte schließlich auch den Holzschnitt für das Titelblatt der ersten Gesamtausgabe Luthers an, die 1545 ebenfalls in Wittenberg erschien. Sie markiert den Beginn einer spezifisch lutherischen Memorialkultur. Die Titeleinfassung zeigt Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen (1503-1554) und Martin Luther betend vor dem Kreuz Christi.

Martin Luther, Titeleinfassung

Martin Luther: Gesammelte Werke in lateinischer Sprache. Wittenberg 1545. FBG, Theol. 2° 210/1 (1)

Die vier Symbole der Evangelisten (Engel, Stier, Löwe und Adler) verweisen auf das Neue Testament, das die Botschaft vom neuen Bund Gottes mit dem Menschen im Tod Christi verkündet. Auf diese Weise haben die Cranachs durch all ihre Buchgrafiken dazu beigetragen, der reformatorischen Lehre eine eigene Bildersprache zu geben.

Dr. Sascha Salatowsky ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsbibliothek Gotha im Rahmen des von der DFG geförderten Ausbaus der Bibliothek zu einer Forschungs- und Studienstätte für die Kulturgeschichte des Protestantismus in der Frühen Neuzeit.