27.08.2013 11:49 Alter: 10 yrs
Kategorie: Artikel, Gotha

Das Herzogliche Museum Gotha und seine Cranach-Sammlung

Mit der Wiedereröffnung des Herzoglichen Museum in Gotha wird auch der bedeutende Bestand an Cranach-Gemälden wieder zugänglich sein. Direktor Martin Eberle gibt einen Überblick über die Sammlungen.


Am 19. Oktober 2013 öffnet das Herzogliche Museum Gotha nach umfangreicher Sanierung wieder seine Pforten. Die berühmten Kunstschätze der Gothaer Sammlung werden zeitgemäß und in einem prachtvollen historistischen Museumsbau präsentiert.

Die Sammlungen

Der Rundgang führt den Besucher durch die ägyptische und antike Abteilung zu den römischen Korkmodellen, weiter zu den Plastiken von Jean-Antoine Houdon, Adriaen de Vries oder Conrat Meit, zu der beeindruckenden Sammlung von Graphiken, die in ständig wechselnden Schauen Meisterwerke von Albrecht Dürer, Martin Schongauer und selbstverständlich Lucas Cranach dem Älteren vorstellen wird, vorbei an historischen Fächern und Keramiken, chinesischen und japanischen Meisterwerken in die Gemäldesammlung, die zum einen niederländische, zum anderen deutsche Gemälde präsentiert. Während bei den Niederländern erstmals nach längerer Zeit wieder Werke von Peter Paul Rubens, Jan van Goyen oder der Rembrandt Schule zu sehen sind, erwarten den Besucher bei den deutschen Malern Mitglieder der Familie Tischbein, Caspar David Friedrich oder Jakob Philipp Hackert. Höhepunkt aber wird sicherlich der Besuch des Oberlichtsaales sein, der den altdeutschen Gemälden gewidmet ist.

Da ist zunächst, als Höhepunkt der Gemäldesammlung, das „Gothaer Liebespaar“, das zu den herausragendsten Leistungen der deutschen Malerei des Spätmittelalters zu zählen ist. Vermutlich zeigt es ein ideales Liebespaar im Sinne der spätmittelalterlichen Minnelehre. In dem meisterhaften Werk verbinden sich auf hervorragende Weise Ideal und Sinnlichkeit der Liebe zu einem zeitlosen Ganzen.

Das wohl bildreichste Werk der deutschen Tafelmalerei ist der nicht minder berühmte und nach seiner heutigen Aufstellung benannte „Gothaer Tafelaltar“ aus der Werkstatt von Heinrich Füllmaurer, der 157 Einzelbilder aus dem Leben Christi zeigt sowie drei Szenen aus der Schöpfungsgeschichte. Jede Szene trägt dabei einen Textteil, der auf der Lutherübersetzung der Bibel basiert. Gleichzeitig wird immer wieder eine scharfe Polemik gegen Mönchtum und Papst deutlich.

Ergänzt werden diese beiden Meisterwerke um Porträts von Christoph Amberger und Bartholomäus Bruyn dem Älteren.

Cranach-Gemälde

Besonders hervorzuheben ist aber die Sammlung der Cranach-Gemälde, von denen Hauptwerke im Herzoglichen Museum zu sehen sind. Die Gothaer Sammlung umfasst heute 23 Gemälde von dem älteren wie dem jüngeren Cranach. 1945 waren es noch 40 Bilder. Diese waren damals alle nach Russland verbracht worden, und nur ein Teil kehrte 1955/56 zurück. Der Rest ist heute zum größten Teil im Puschkin-Museum in Moskau zu bewundern.

Bemerkenswert an den Gothaer Cranach-Gemälden ist, dass es sich um einen ausgesprochen alten Bestand handelt. Fast alle Gemälde lassen sich bereits im ersten Kunstkammerinventar von 1646 nachweisen. Aus Erbteilung war 1640 das neu begründete Herzogtum Sachsen-Gotha(-Altenburg) hervorgegangen. Zum Erbe des neuen Herzogs, Ernsts I., des Frommen, gehörten auch bedeutende Kunstkammerbestände, die von Weimar nach Gotha verbracht wurden, darunter die Cranach-Gemälde. Die Gothaer Sammlung ist dank einer hervorragenden archivalischen Überlieferung besonders gut dokumentiert, so dass sich nachvollziehen lässt, wie die Gemälde im 17. Jahrhundert noch richtig dem „Lucas-Maler“ zugeschrieben werden konnten, im frühen 18. Jahrhundert sich aber nur noch anhand der Beschreibung identifizieren lassen. Ein Künstler wird hier nicht mehr genannt. Mitte des 18. Jahrhunderts befinden sich einige der Cranach-Gemälde gar in der „Rumpelkammer“ der Kunstkammer, einer Art Depot. Erst im 19. Jahrhundert erkannte man wieder ihren Wert, und unter anderem für diese beeindruckende Cranach-Sammlung wurde ab 1864 das Herzogliche Museum errichtet, das 1879 fertiggestellt war.

Zu den beiden wichtigsten Gemälden dieses Sammlungsbereichs gehören dabei „Verdammnis und Erlösung“ von 1529 und die sensible Studie „Christus und Maria“.

Das erste Gemälde verbildlicht Luthers Lehre von der Rechtfertigung jedes einzelnen Menschen vor Gott: der Baum des Lebens trennt das Bild in zwei Hälften. Während links der von Sünden beladene Mensch, der gegen das Gesetz verstoßen hat, von Tod und Teufel in die Hölle getrieben wird, erfährt der schuldbeladene Mensch rechts, der von Johannes dem Täufer begleitet wird, die Gnade Gottes durch Leiden und Tod Christi. 

„Christus und Maria“ zeichnet sich in seiner Mischtechnik auf Pergament auf Eichenholz durch die feine und delikate Ausführung aus. Sicherlich darf dieses Werk als eines der bedeutendsten von Lucas Cranach dem Älteren gelten. Besonders beeindruckend ist der frontale Blick des Betrachters in das Ruhe und Güte ausstrahlende Antlitz des Gottessohns.

Wohl eher dem profanen Bereich des Wittenbergisch-Weimarer Hoflebens zuzuordnen sind die beiden Bildtafeln von Cranach dem Älteren, die „Judith an der Tafel des Holofernes“ bzw. den „Tod des Holofernes“ thematisieren. Die Geschichte von der Enthauptung des Holofernes durch Judith erfreute sich während der Renaissance großer Beliebtheit. Sie bot den Künstlern die Gelegenheit, den brutalen Mord durch eine schöne und kluge junge Frau wiederzugeben. Im Jahr der Entstehung der Bilder, 1531, schlossen die Protestanten nach langen Diskussionen den „Schmalkaldischen Bund“ gegen Kaiser Karl V. und dessen Religionspolitik, weshalb dem hier dargestellten Thema, der legitimen Verteidigung gegen einen tyrannischen Herrscher, ein aktueller politischer Bezug zukam.

Ebenso ein weltliches Bildthema ist die Darstellung des „Herkules bei Omphale“: Herkules, verliebt in die lydische Königin Omphale, leistete Sklavendienste bei seiner Angebeteten und musste sich sogar dazu herablassen, Frauenarbeiten zu verrichten. Die Umkehrung der Geschlechterrolle steht somit im Focus des Bildes und sollte den sächsischen Kurfürsten Johann Friedrich als Warnung vor den Gefahren des Hoflebens dienen.

Die Kleinformatigen Porträts von Kurfürst Friedrich dem Weisen, Martin Luther, der Katharina von Bora oder des Philipp Melanchthon entsprachen nicht nur dem neuen Selbstverständnis des Menschen während Renaissance und Humanismus, sie dienten auch der Propaganda des neuen Glaubens. Cranach der Ältere produzierte die Porträts der Reformatoren in Serie, wobei gerade Luther in verschiedenen Rollen und Alterstufen dargestellt wurde. In Bezug auf Philipp Melanchthon muss darauf hingewiesen werden, dass die Gothaer Sammlung nicht nur über das Gemälde von Cranach verfügt, sondern auch über die originale, von Dürer gestochene Kupferplatte von 1526.

Doch auch für den „katholischen Cranach“ lässt sich in Gotha ein wunderbares Werk finden, das als eines seiner Hauptwerke der mittleren Schaffensperiode gilt: „Die Anbetung der Könige“, die 1513/16 entstand. Bei der Darstellung konzentrierte sich Cranach ganz auf die Darstellung der Anbetung durch die Heiligen Drei Könige und verzichtete auf die sonst üblichen Begleitfiguren, wie Josef und die Tiere im Stall. Das Tafelwerk beeindruckt darüber hinaus durch den Detailreichtum.

Schließlich sei noch auf die Werke von Lucas Cranach dem Jüngeren hingewiesen, die im Herzoglichen Museum zu sehen sind, etwa Maria mit dem Kind und dem Johannesknaben, das sich bereits 1656 in den herzoglichen Sammlungen nachweisen lässt.

Von eindeutig weltlich-sinnlicher Wahrnehmung zeugt die Tafel „Das Urteil des Paris“, das sich sogar schon seit 1644 in der Gothaer Kunstkammer befindet. Im Wettstreit, wer die Schönste sei, sollte der Hirtensohn Paris über die Göttinnen Athena, Juno und Venus das Urteil fällen, was bekanntlich den Trojanischen Krieg auslöste. Die Zeitgenossen sahen aber neben der Darstellung der drei nackten Frauenkörper, die sich dem Blick des Prinzen ausliefern, in dem Thema auch eine Allegorie auf den Lebenswandel des idealen Fürsten, der die Weisheit der Athena, die Macht der Juno und die Anmut, Poesie und Musik der Venus besitzen sollte.

Die Cranach-Gemälde in Gotha zählen nicht nur wegen ihrer Qualität, sondern letztlich auch wegen ihrer gut dokumentierten Geschichte zu den aufsehenerregendsten Entdeckungen, die der Besucher im neuen Herzoglichen Museum Gotha machen darf.

Dr. Martin Eberle ist Direktor der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha, die neben dem Herzoglichen Museum und seinen Kunstsammlungen auf Schloss Friedenstein das Schlossmuseum Gotha, das Museum der Natur Gotha, das Historische Museum Gotha und das barocke Ekhof-Theater betreut.