Gotha

Martin Luther und Katharina von Bora

Lucas Cranach, Martin Luther und Katharina von Bora

Werkstatt Lucas Cranach d. Ä.
Martin Luther
1529
Buchenholz
41,9 x 28,5 cm (mit Rahmen)
Stiftung Schloss Friedenstein Gotha
Inv.-Nr.: SG 18

Werkstatt Lucas Cranach d. Ä.
Katharina von Bora
1529
Buchenholz
41,9 x 28,3 cm (mit Rahmen)
Stiftung Schloss Friedenstein Gotha
Inv.-Nr.: SG 17


Durch Luthers Verneinung einer Werkgerechtigkeit waren der Zölibat und das monastische Leben in Frage gestellt. Unter dem Eindruck seiner Schriften entschlossen sich zahlreiche Priester zur Ehe und Mönche und Nonnen zum Klosteraustritt, so auch 1523 zwölf Nonnen des Zisterzienserinnenklosters Nimbschen, denen der Torgauer Bürger Leonhard Koppe mit Wissen Luthers zur Flucht verhalf. Einige der Frauen kehrten zu ihren Familien zurück; die, denen dies nicht möglich war, versuchte Luther zu verheiraten. Für Katharina von Bora konnte zunächst kein Ehemann gefunden werden. 1525 nahm sie dann der Reformator selbst zur Frau. Die Trauung wurde am 13. Juni in kleinem Rahmen vollzogen, zwei Wochen später fand die Hochzeitsfeier statt.

Die Eheschließung des Reformators und einstigen Augustinermönchs mit der ehemaligen Nonne war ein handfester Skandal. Von altgläubiger Seite wurde ihm vorgeworfen, die Reformation nur unternommen zu haben, um seine fleischlichen Gelüste befriedigen zu können. Luther hingegen sah in seiner Ehe eine Möglichkeit, unter Beweis zu stellen, dass es ihm mit seiner Lehre ernst war und er auch bereit war, persönliche Konsequenzen aus ihr zu ziehen.

An der Auseinandersetzung um Luthers Vermählung beteiligte sich auch Lucas Cranach d. Ä., der ein enger Freund des Reformators war und mit seiner Gemahlin zu den wenigen Zeugen der Trauung gehörte. Er nutzte die ihm zur Verfügung stehenden Mittel und malte eine Reihe von Doppelporträts von Luther und Katharina. Formal handelt es sich bei diesen Gemälden um Hochzeits- bzw. Ehepaarbildnisse, eine traditionelle Bildgattung. Diese diente in bürgerlichen Kreisen zur Repräsentation und zur Dokumentation des durch die Eheschließung hergestellten Rechtsverhältnisses. Doch die große Anzahl, in der diese Bilderpaare die Cranach-Werkstatt verließen, zeigt, dass mit ihnen eine propagandistische Absicht verbunden gewesen sein muss.

Noch im Hochzeitsjahr 1525 entstand die erste Porträtserie des Paares. Auf den kleinen Rundbildpaaren ist Luther barhäuptig dargestellt, Katharina trägt noch nicht die Haube der verheirateten Frau, sondern ein Haarnetz. Im darauffolgenden Jahr wurden diese Bildnistypen in größerem, hochrechteckigem Format umgesetzt. 1528 entstand eine Serie von Doppelbildnissen, die das Ehepaar bereits leicht gealtert zeigen. Luther ist nun etwas fülliger und Katharina trägt als verheiratete Frau eine Haube. 1529 folgte schließlich eine vierte Serie. Während hier der Luther-Typus von den Bildern des Vorjahres unverändert übernommen wurde, tritt Katharina – ohne dass dafür ein Grund angegeben werden könnte – wieder mit Haarnetz auf.

Zu der letzten Serie gehört auch das Doppelporträt in der Gemäldesammlung von Schloss Friedenstein. Als Besonderheit verfügen die beiden Tafeln, wie noch einige andere Exemplare aus derselben Serie, über Inschriften, die zusammen mit den abgekürzten Namen der Porträtierten oberhalb der Köpfe angebracht sind. Es handelt sich um Bibelverse, die Luther und seiner Frau als persönliche Devisen beigegeben sind.

Luthers Wahlspruch „IN SILENCIO ET SPE ERIT FORTITVDO VESTRA“ ist dem alttestamentlichen Buch Jesaja (Jes. 30,15) entnommen und lautet in der Übersetzung des Reformators: „Durch stille sein und hoffen würdet ir starck sein.“ In Verbindung mit Luther findet sich dieser Vers nicht nur auf den Bildnissen aus der Cranach-Werkstatt, sondern auch auf Medaillen mit dem Antlitz Luthers und auf Einbänden seiner Schriften. Schließlich ist er auch in das von seiner Frau in Auftrag gegebene Portal seines Wohnhauses eingemeißelt, zusammen mit der zweiten von ihm geführten Devise – der Formel V.I.V.I.T. Während der Theologe die Bedeutung, die er dieser Formel für sich beimaß, wenigstens teilweise in einer seiner Tischreden erhellt hat, fehlen Äußerungen zum Jesaja-Vers. Eine Glosse in der Lutherbibel zeigt jedoch, wie der Reformator die Bibelstelle verstanden wissen wollte: „(Stille) Das ist, Leiden, gedult und harren etc.“ – mit Leiden, Geduld, Harren und Hoffen wollte Luther den Angriffen seiner Feinde begegnen.

Der Vers auf dem Porträt seiner Gattin, „SALVABITVR PER FILIORVM GENERACIONEM“, stammt aus dem ersten Brief des Paulus an Timotheus (1. Tim. 2,15) und wird von dem Reformator übersetzt mit „Sie wird aber selig werden durch Kinder zeugen [bisweilen auch mit „gebären“ übersetzt].“ Dass dieser Spruch noch in anderen Fällen auf Katharina bezogen, ja, von ihr als persönliche Devise geführt wurde, lässt sich nicht nachweisen. Vermutlich wurde er ad hoc ausgewählt, als Pendant zum Wahlspruch ihres Ehemannes und um das Porträt mit einer propagandistischen Aussage zu versehen.

Im zweiten Kapitel des Timotheusbriefs äußert sich Paulus u. a. zum rechten Verhalten der Frau: Sie solle nicht lehren oder über den Mann herrschen, sondern sich still verhalten, da Adam vor Eva erschaffen worden ist und diese es war, die sich von der Schlange verführen ließ. Dagegen verheißt der Apostel den Frauen, dass sie durch Kindergebären selig würden. Man hat deshalb angenommen, der Spruch auf dem Katharina-Bildnis solle Luthers Frau den ihr gemäßen Platz in der Ehe anzeigen. Interessant ist jedoch, in welchen Zusammenhängen Luther den Bibelvers verwendet.

1525 predigte der Reformator über den Ehestand und sprach u. a. von den Pflichten der Frau in der Ehe. Sie solle die Schmerzen und Gefahren erdulden, die mit der Schwangerschaft einhergehen. Als Trost zitiert er den Vers „Sie wird aber Selig werden durch Kinder zeugen“ und fügt hinzu „O behüte Gott, wenn die Nonnen im kloster ein solch wort hetten, das ir stand hiesse ein Seliger stand, wie sollten sie sich auff brüsten und rhümen?“ Luther sieht in diesem Vers einen starken Beleg dafür, dass die Mutterschaft gottgefällig ist, während die Nonnen ihr zölibatäres, kinderloses Leben mit keiner solchen Bibelstelle rechtfertigen können.

Im Jahr 1537 zitierte Luther den Vers noch einmal in einer seiner Tischreden. Der Blick des Reformators war auf ein von Cranach gemaltes Porträt Katharinas gefallen, was ihn zu der Äußerung anregte, er wolle dieses Gemälde zusammen mit einem Porträt von sich auf das (schließlich nicht zustande gekommene) Konzil in Mantua schicken, wo der Papst und der katholische Klerus beabsichtigten, über die Reformation in Deutschland zu debattierten. Die versammelten Priester wolle er dann fragen, ob ihnen der Ehestand oder der Zölibat lieber sei. Nach diesen Überlegungen begann Luther, den Ehestand zu loben: Christus habe diesen nicht verachtet, sondern sei von einem Weib geboren worden, und auch Paulus habe ihn gepriesen, als er sprach: „Das Weib wird selig durch Kinder gebären.“

Nicht, um die Rolle der Frau auf das Kindergebären festzulegen, führt Luther also den Vers aus dem Timotheusbrief an, sondern um den Wert und die Gottgewolltheit der Mutterschaft gegenüber dem Zölibat herauszustreichen. Und hierin ist auch die propagandistische Aussage der Doppelporträts und der Katharina beigegebenen Devise zu sehen: Dem Zölibat, dem Luther und Katharina den Rücken gekehrt haben, stellen die Gemälde modellhaft Ehe und Mutterschaft als gottgefälligen Stand entgegen. 

Philipp Steinkamp

Philipp Steinkamp war bis Ende 2013 Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Stiftung Schloss Friedenstein. Er studierte Geschichtswissenschaft, Kunstgeschichte und der Ältere deutsche Literatur und Sprache in Münster und Berlin und absolvierte 2011-2013 sein Volontariat in der Stiftung Schloss Friedenstein.