Coburg

Georg III. von Anhalt, gen. "der Gottselige"
Martin Luther

Lucas Cranach d.J., Bildnisse Georg III und Martin Luther, Veste Coburg

Bildnis Georg III.
Lucas Cranach d.J.
1575
Öl auf Lindenholz
215,5 x 94 cm
Kunstsammlung der Veste Coburg
Inv.-Nr. M. 360

Bildnis Martin Luther
Lucas Cranach d.J.
1575
Öl auf Lindenholz
212,4 x 92,5 cm
Kunstsammlung der Veste Coburg
Inv.-Nr. M. 304


"Die Frage, wann, von wem und mit welcher vermutlichen Motivierung derartige Portraits veranlasst worden sind, führt mitten hinein in dem Kampf der Fürsten um Besitz und Rechte, und in die Kämpfe der Theologen, die diese Streitigkeiten auf ihrer Ebene wiederholten", urteilte Werner Schade in seiner Cranach-Monographie von 1974. Diese Einschätzung dürfte auch für die beiden Portraits Gültigkeit haben. Sie waren von Kurfürst August von Sachsen für neue Schloss Annaburg nahe Witteneberg in Auftrag gegeben worden, wohl um in der Schlosskapelle Platz zu finden. 1548 hatte Georg III.  August und die dänische Prinzessin Anna in Torgau getraut, der biographische Anknüpfungspunkt  dürfte für die Wahl des Motivs wichtig gewesen sein. Zugleich hatte Georg III. eine besondere Bedeutung für die Reformation als erster protestantischer Landesherr, der zugleich Priester war. Zum geistlichen Stand bestimmt, wurde er 1518 Domherr zu Merseburg. Unter dem Eindruck der Augsburger Konfession begann er sich dem neuen Glauben zuzuwenden, ohne seinen geistlichen Stand und die Ehelosigkeit aufzugeben. 1530 fiel ihm die Aufgabe der Mitregierung im Fürstentum in Anhalt-Dessau zu. 1544 wurde er Koadjutor von Herzog August von Sachsen im Bistum Merseburg, im Jahr darauf feierlich ordiniert von Martin Luther. Später wandte sich Georg III. der Entwicklung seiner Landeskirche in Anhalt-Dessau zu, seine Schriften wurden von den Zeitgenossen denen Luthers und Melanchthons gleichgestellt, und er erhielt in der Geschichtsschreibung das Epitheton "der Gottselige". Sein Glaube soll so stark gewesen sein, dass Luther von ihm sagte, "… wo der nicht in den Himmel kommt, werde ich wohl herausbleiben." 

Der Fürst nimmt die vornehmere, rechte Seite des Bildnispaares ein. In den Händen hält er ein mit seinem Wappen verziertes Buch, der Stoff seiner pelzverbrämten Schaube zeigt ein ornamentales Muster. Beide Reformatoren stehen in einer mäßig tiefen Arkade, deren Höhe sie voll ausfüllen und fast zu sprengen scheinen. Die Verwendung des ganzfigurigen Portraitypus hat Cranach der Jüngere in die Reformatorendarstellung eingeführt, nachdem sie im frühen 16. Jahrhundert der Gestaltung des Herrscherbildes vorbehalten war. Im Kontext der konfessionspolitischen Kontroversen realisierte er in den späten 1540er Jahren ganzfigurige graphischen Portraits von Kaiser Karl V., König Ferdinand I. und von sächsischen Fürsten. Zur gleichen Zeit entstanden solche Bildnisse von Reformatoren wir Martin Luther, Philipp Melanchthon oder Johannes Bugenhagen, etwas später auch von Fürst Georg III. von Anhalt.

Noch in Luthers Todesjahr 1546 datiert das erste gemalte, lebensgroße Ganzfigurenportrait des Reformators, das ihn in einer engen Rundbogennische zeigt (heute Schloss Güstrow). Auf die Bilderfindungen dieser Jahre griff Cranach in seinen beiden hier gezeigten großen Portraits zurück. Mit deren gemeinsamen Auftritt dürfte Kurfürst August eine programmatische Aussage verbunden haben, nahm er doch in den nach Luthers Tod aufgekommenen innerreformatorischen Glaubensstreitigkeiten eine entschiedene Position zugunsten eines orthodoxen Luthertums ein und bekämpfte mit Entschlossenheit Kryptocalvinisten oder Flacianer. Die wahre Reformation und ihre Verfechter, so die Botschaft, sind in Kursachsen beheimatet.

Über das spätere Schicksal der beiden großen Tafeln herrscht keine völlige Klarheit. Im 18. Jahrhundert wurde in Schloss Annaburg eine Unterrichtsanstalt eingerichtet. Nicht ausgeschlossen, dass die Gemälde bereits zu dieser Zeit aus dem Schloss entfernt worden waren. Jedenfalls kaufte der Berliner Kunsthändler Herbert Klewer die Tafeln 1948 "von einem Stadtmuseum der Ostzone", wo sie sich bereits "seit Jahrhunderten" befunden haben sollen. Nachdem der Kaufvertrag von ostzonalen Behörden angezweifelt worden war, erfolgte eine Prüfung durch die Sowjetische Besatzungszone, bei der die Rechtmäßigkeit der Transaktion bestätigt wurde. 1961 konnte das Lutherbild für Coburg erworben werden, fast zwanzig Jahre später folgte das Gegenstück mit dem Bildnis Georgs III.

Klaus Weschenfelder

Der Autor des Textes ist Direktor der Kunstsammlungen der Veste Coburg.